Die Geschichte...
...der Iburger Apotheken ist eng mit der Geschichte von Schloss und
Benediktinerkloster Iburg verknüpft.
Wir erfahren aus der „Osnabrücker Chronik" von 1792, die sich
z.T. auf das Porträtbuch des bischöflichen Hofmalers Georg Berger (um
1600) stützt, die erste Erwähnung einer Apotheke um 1591.
Der Abt Maurus Rost berichtet dann in den 1681 niedergeschriebenen „Iburger
Klosterannalen" von einer Apotheke „an den Hirschseiten", wie
man den nördlichen Flügel des Iburger Schlosses nach einem Gatter nannte,
indem 6 Hirsche und 7 Muttertiere gehalten wurden.
Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg, im Jahre 1616, wurde von Philipp
Sigismund die Iburger Arzneitaxe herausgegeben, deren, wie wir bis 1995 glaubten,
letztes Exemplar 1944 in der Münsterschen Universitätsbibliothek
bei einem Bombenangriff verbrannte. Wir wußten nur, welche vom menschlichen
Körper stammenden Heilmittel man damals in dieser Iburger Arzneitaxe aufführte.
Es waren dies nicht nur pulverisierte Harnsteine, Nägel und Ohrenschmalz,
sondern auch Menschenhirnschale („Cranium humanum ustum et praeparatum"),
Menschenfett („Axungia hominis") und „Mumie" - zum
Einbalsamieren verwendete Stoffe, in welche die „menschliche Feuchtigkeit“ gedrungen
war. Sie wurden von jungen und gesunden Erhängten gewonnen; - es drängt
sich uns dabei das Bild des Gerichtsplatzes mit den 7 Linden vor den Toren des
Iburger Schlosses und das des Galgenberges in Oesede auf!
Auch die Preise in Goldgulden für jeweils 1 Lot oder 1 Quentchen aus der
alten Arzneitaxe waren bekannt, die in einem Artikel von Dr. P. Bahlmann in der „Deutschen
Apothekerzeitung" vom Mai 1889 veröffentlich worden waren.
Im Jahr 1995 erhielten wir dann eine Anfrage des Apothekers Meyer aus der Hirsch-Apotheke
zu Osnabrück. Er hatte bei Recherchen eine alte Taxe ohne Deckblatt gefunden,
deren Inhalt mit der Beschreibung der Iburger Arzneitaxe übereinstimmte.
Einzelne Seiten dieser Taxe waren überschrieben mit „Taxa der Bischöffl.
Fürstlichen Osnabrüggischen Hoffapotheck zu Iburg“. Damit war
die Sensation perfekt. Die Iburger Arzneitaxe ist wieder existent, und damit
ein Dokument wieder gefunden, welches sehr früh schon den Handel mit Arzneimitteln
weit über den Osnabrücker Raum hinaus regelte. In den abergläubischen
Zeiten vor dem dreißigjährigen Krieg durfte, was aufgeführt war
nicht mehr zu Wucherpreisen angeboten werden, und galt als wirksam und erprobt.
Nach
1672 wurde acht Jahrzehnte lang eine Apotheke im "Amt Iburg" nicht
mehr erwähnt.
Erst 1750 versuchten nacheinander die drei Apotheker Meyer, Berge und Luppe eine
Apotheke in Iburg zu unterhalten, scheiterten aber innerhalb von 20 Jahren.
1772 eröffnete der Apotheker Johann Wilhelm Klöntrup aus Glane im Haus
Nr. 70 an der Großen Staße eine „Hirsch-Apotheke". Dieses
spätere „Wedekämpersche Haus" war zweifellos gleich nach
dem großen Brand im Flecken Iburg 1586 entstanden und galt lange Zeit als
das schönste Haus Iburgs. Da in einem Revisionsbericht von 1802 diese Apotheke „im
eigentlichen Verstande als nicht existent“ anzusehen war, wurde 1801
Apotheker Friedrich August Nettelhorst eine weitere Apotheke in der Schloßstrasse
genehmigt. 1830 gründete Nettelhorst eine Filiale in Glandorf und im Jahre
1834 führte er ein neues großes Haus „ganz von Stein" auf,
in welchem sich auch heute noch die Hirsch-Apotheke
befindet.
1854
verkaufte sein Sohn Louis Nettelhorst die Apotheke an Apotheker Max
Friedrich Heinemann für „15822 Taler courant".
Von 1867 bis 1870 leitete ein Apotheker Adolf Hasselbach die Apotheke,
die durch die geringe Bevölkerungszahl stets existenzgefährdet
blieb.
Am 22.10.1870 verkaufte dieser das Anwesen an Apotheker Friedrich
Schlotheuber aus Duingen bei Alfeld, der am 17. Mai
1871 als Apotheker vereidigt wurde.
Im
Jahre 1900 übernahm sein Sohn Julius Schlotheuber die
Hirsch-Apotheke. Damals wurden noch viele Drogen selbst gepflückt
und im Dachgeschoss auf großen Netzen zu Tees getrocknet. In
dem gut eingerichteten Labor wurden Extrakte angefertigt, die man an
pharmazeutische Großhandlungen lieferte.
Besonders die Tollkirsche, die im Freden wächst, wurde zum wichtigen „extractum
belladonnae" verarbeitet. Die Apotheke erhielt im Verkaufsraum
eine Eicheneinrichtung, die zum Teil noch heute vorhanden ist. 1900
wurde ein Botendienst nach Hagen eingerichtet. Vom Beginn des ersten
Weltkrieges bis 1933 hat dann der Schneidermeister Josef Schwegmann
aus Hagen täglich diesen 14 km langen Weg, den heutigen Amtsweg,
zu Fuß zurückgelegt und auf seinem Rücken die Medikamente
nach Hagen getragen. Mehr als zweimal um die Erde ist er in diesen
19 Jahren -und das bis zu seinem 80. Lebensjahr! - gewandert.
Jürgen Schlotheuber übernahm 1955 die
Hirsch-Apotheke von seiner Schwester.
Dank der Initiative der Kneippärztin Frau Dr. Bremer, die das
1. Kneippsanatorium 1947 im Hause Kassen eröffnete, und dank dem
späteren Stadtdirektor Josef Hunke und der Tätigkeit des
Kneippvereins, erkannte der Deutsche Bäderverband nach Gründung
weiterer Sanatorien und Kneippkurheime lburg im Jahre 1953 als „Kneippkurort" an.
Jürgen Schlotheuber begleitete diese Entwicklung intensiv und
engagiert. 1954 heiratete er Renate Enke aus Freiburg i. Brsg.
Am
6. September 1959 konnte es Josef Hunke erreichen, daß lburg
seine nach dem Dreißigjährigen Krieg verlorenen Stadtrechte
wiedererhielt und endgültig die Bezeichnung „Flecken" ablegen
durfte.
So entwickelte sich Iburg zum staatlich anerkannten Luftkurort, wir
wurden zur „Stadt Bad Iburg“.
Jürgen Schlotheuber starb am 7. November 1986.
Und eines seiner vier Kinder konnte es nicht lassen.
So
führt nun Hans Schlotheuber mit seiner Frau,
der Apothekerin Regina Schlotheuber geb. Scheffler in vierter Generation
die Hirsch-Apotheke in Bad Iburg weiter. Nach seinem Studium in Berlin,
Approbation 1983, und seiner Tätigkeit dort als Apotheker in verschiedenen
Apotheken, übernahm er 1986 den elterlichen Betrieb.
Ein guter Spiegel der wechselvollen Geschichte der Schlotheuber`schen
Apotheke in diesen 140 Jahren ist das Emblem, der Hirsch, der im Laufe
der Zeit viele Veränderungen durchlief.
Wie der Hirsch hat sich auch die Apotheke und deren jeweilige Eigentümer
auf die wechselnden Anforderungen und Bedürfnisse eingestellt.
So gründete Regina Schlotheuber im April 1996 die Mühlentor-Apotheke,
und reagierte damit auf die städtebauliche Entwicklung des Ortes.
2010 wurde die Hirsch Apotheke gründlich saniert. Wärmedämmung,
Beleuchtung, Elektrik, Klima wurden erneuert und den modernen Anforderungen
der Haustechnik angepasst. Somit sind wir auf das Jahr 2011 vorbereitet.
Wir werden alles unternehmen, um auch in Zukunft diese alte Apotheke
jung und lebendig zu halten.